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Alles hat ein Ende…
Über 12 Jahre war sie ein bekanntes Gesicht unserer Schule. Nun hat Frau Otto den Lehrerberuf endgültig hinter sich gelassen. Wir haben mit ihr über die Zeit als Lehrerin, ihre Faszination für Sprachen und die Rente gesprochen.
Frau Otto, war die Fahrt nach Jekaterinburg ein gelungener Abschluss für Sie?
Absolut. Ich hatte es mir ja gewünscht, noch einmal mitzufahren, weil mein Herz so ein bisschen an diesem Projekt hängt. Deswegen habe ich auch nicht mit dem Schuljahresende aufgehört, wie das eigentlich logisch gewesen wäre. Natürlich hat man bei so einer letzten großen Fahrt Bedenken, dass so weit weg von zuhause etwas schief gehen könnte, aber so war es wirklich ein gelungener Abschluss.
Wie lange waren Sie Lehrer an dieser Schule? Gab es vorher andere Stationen?
43 Jahre waren es insgesamt, davon drei Jahre Babypause. Angefangen habe ich 1976 an einer Polytechnischen Oberschule in Bernsdorf, später war ich auch in Gersdorf und Hohndorf. Alle drei Schulen mussten aufgrund fehlender Schüler schließen. Dann kam das Angebot vom Gymnasium, bei dem ich erst gezögert habe, weil es doch eine große Umstellung war. Im Nachhinein bin ich aber froh, diesen Weg gegangen zu sein und die letzten zwölf Jahre hier unterrichtet zu haben.
Warum gehen Sie jetzt diesen Schritt?
Ich habe die offizielle Altersrente erreicht. Ich könnte zwar weiterarbeiten, allerdings möchte ich mehr Zeit für mich, meinen Mann und meine große Familie haben.
Wenn Sie Revue passieren lassen, mit welchen Gefühlen schauen Sie auf ihre Zeit als Lehrerin?
Auf jeden Fall, dass ich die richtige Berufswahl getroffen habe und dass es mir immer großen Spaß gemacht hat, Sprachen zu unterrichten. Ich bin auch froh, dass nach der Wende nicht mehr jeder Russisch lernen musste und die Abneigung verschwand. Geographie war nie meine erste Wahl, ich hätte lieber eine weitere Sprache geöernt, was damalls aber nicht möglich war. Dennoch habe ich es sehr gerne unterrichtet.
Gibt es Dinge, die Sie gerne anders gemacht hätten?
Kleinigkeiten, nichts Bedeutendes. Vielleicht hätte ich in den ersten paar Jahren etwas strenger sein müssen. (lacht)
Wissen Sie, warum Sie Lehrer geworden sind?
Die Werbung an unserer Schule für den Lehrerberuf hat mich überzeugt. Es gab damals schon Lehrermangel, als ich hier Schüler war und wir wurden extrem umworben. Außerdem hat auch meine Liebe zu Sprachen eine große Rolle gespielt.
Was hat Sie in ihrer Laufbahn aufgeregt bzw. womit hatten Sie manchmal zu kämpfen?
Ich bin eigentlich nicht der Typ dafür, sich sonderlich über etwas aufzuregen. Es gibt dieses englische Sprichwort „When life gives you lemons, make lemonade“ und so bin ich eigentlich erzogen wurden, denn man muss aus jeder Situation das Beste machen.
Beruflich gesehen war die Wendezeit sehr aufregendWir Lehrer waren sehr verunsichert. Man hatte eine Zeit lang auch die Befürchtung, von den Entlassungen betroffen zu werden. Hinzu kamen die Überprüfungen auf Aktivitäten in der „Stasi“, was mich allerdings nie wirklich aufgeregt hat, weil ich wusste, dass ich mir nichts zuschulden kommen lassen hatte.
Was können Sie jungen Lehrerkollegen mit auf den Weg geben?
Sie sollen Ihren Beruf lieben und jeden Tag gern zur Schule gehen. Wichtig ist, immer selbst Vorbild zu sein. Wenn mal etwas nicht so klappt, wie man es sich das vorgestellt hat, dann sollte man auch sein eigenes Handeln hinterfragen und eventuell korrigieren. Ein bisschen Selbstkritik schadet nie. Ich empfehle, sich Ideen für einen abwechslungsreichen Unterricht bei Frau Vera F. Birkenbihl zu holen. Sie hat Bücher wie „Trotzdem lernen“ und „Trotzdem lehren“ verfasst.
Was glauben Sie, wie sie insgesamt bei den Schülern angekommen sind?
Die Frage müsste man eigentlich an die Schüler weitergeben. Aber ich denke nicht so schlecht, wobei das schwer zu beantworten ist. Ich bin vielleicht nicht die strengste gewesen, aber trotzdem hatte ich Ordnung in meinem Unterricht.
Allgemein ist es immer eine Gratwanderung: Mache ich mich beliebt, weil ich von den Schülern nichts fordere oder wende ich eine andere Methodik an und komme dennoch an.
Stimmt es wirklich, dass Sie insgesamt nur sehr wenige Fehltage haben?
Insgesamt sind es fünf Fehltage, also eine Schulwoche. Ich denke, dass mein Immunsystem ganz gut ist. Außerdem kann man ja auch viel für die Gesundheit tun, zum Beispiel durch richtige Ernährung oder regelmäßigen Sport. Ich bin zum Beispiel häufig mit dem Fahrrad in die Schule gekommen
Wie schätzen Sie die Entwicklung ein, die diese Schule genommen hat?
Ich bin immer gerne hier Lehrer gewesen. Rein optisch ist es ein tolles Gymnasium, das sagen zum Beispiel auch unserer russischen Gäste. Natürlich gibt es auch Entwicklungen, die nicht bei uns liegen und einem Sorgen machen, beispielsweise der steigende Unterrichtsausfall aufgrund des Lehrermangels.
Was hat sich verändert im Vergleich zu früher?
Grundsätzlich verändert hat sich das Verhalten der Schüler, was ich an der Stelle mal kritisch anmerken muss. Das Grüßen klappt bei vielen nicht mehr. Das hat man früher mal so beigebracht bekommen, dass erwachsene Personen auf dem Schulgelände immer gegrüßt werden, auch wenn es nur die Postfrau ist. Auch die Höflichkeit hat nachgelassen, mal einem Lehrer mit Büchern unter dem Arm die Tür aufzuhalten. Ich würde niemals alle über einen Kamm scheren, aber insgesamt ist es schon sehr auffällig.
Wie geht es jetzt weiter? Was werden Sie am meisten vermissen?
Ich habe in den Vertretungsstunden, die ich jetzt gehalten habe noch einmal gemerkt, dass mir das Unterrichten nach wie vor großen Spaß macht und mir fehlen wird. Ich werde auch meine Kollegen und den Schulalltag vermissen, aber es gibt so viele private Pläne, dass ich wenig Zeit haben werde in Trauer zu verfallen. Gartenarbeit, Radtouren, Zeit mit den Enkeln und solche Dinge werden verhindern, dass mir die zuhause die Decke auf den Kopf fällt.
Wird es Ihnen gelingen, vollständig vom Lehrerberuf loszukommen?
Auf jeden Fall. Ich muss die neue Situation annehmen, da passt wieder der englische Spruch, den ich bereits erwähnt habe.
Was möchten Sie unbedingt noch loswerden?
Ich hatte noch die Frage erwartet, was ich von den „Fridays for Future“-Demonstrationen halte. Die Schüler sollen da ruhig mitmachen und ein Zeichen setzen, dass wir nur diesen ein Planeten haben. Aber sie müssen auch ihr Privatleben dementsprechend anpassen und beispielsweise nicht jeden kleinen Weg mit dem Auto fahren oder können auch mal Fahrgemeinschaften bilden. Man muss auch selber ein Vorbild sein, wenn man etwas von anderen verlangt.
Das Team der Schülerzeitung bedankt sich allerherzlichst bei Frau Otto für das aufschlussreiche Interview und wünscht ihr für den nun folgenden Ruhestand nur das Beste!
© Jim Kerzig